Wir sind auf dem Weg zu Khadayja Belhuss – einer Berberin im Anti-Atlas. Unser Guide hat die Höhe unseres Ategos nicht auf dem Schirm und irgendwann ist Schluss für unser Gefährt, da wir unter den Arganenbäume nicht mehr durchfahren können. Also gehen wir den Rest des Weges zu Fuß und erreichen schließlich ein Gehöft aus den typischen Lehmziegeln erbaut. „Willkommen“ steht in einem der vielen Berberdialekten auf der Mauer – wir gehen mal davon aus, dass dies für uns gilt, auch wenn der Schriftzug von einer vor kurzem gefeierten Hochzeit herrührt, wie sich später herausstellt.
Wir sind unterwegs für die deutsche Wasserstiftung und Khdayja ist eine von den vielen Berberfrauen in Marokko, die Tag für Tag Wasser von einem Ziehbrunnen holen, um die ganze Familie und alle Tiere zu versorgen. Wir wollen sie dabei begleiten und filmen. Doch zunächst einmal gilt es die Männer der Sippe zu begrüßen: zwei ihrer Söhne, ihren Mann und den über neunzigjährigen Schwiegervater. Der Empfang ist herzlich. Khadaya kommt mit zwei Eseln im Schlepptau hinter dem Haus hervor und wir laufen mit ihr und den Söhnen zum Brunnen. Der ältere in seiner Georgio-Armani-Fake-Jacke ist unseretwegen mit von der Partie und wird keinen Finger krümmen, um seiner Mutter zu helfen. Es gilt, die Hierachie einzuhalten und Wasser holen ist nun mal Frauensache. Lediglich der jüngste Sohn muss beim Beladen der Esel helfen, wenn keine zweite Frau zur Stelle ist.
Nach 20 Minuten Fußmarsch haben wir den Brunnen erreicht. Khadayja schöpft Wasser aus dem Ziehbrunnen und beginnt, ihre mitgebrachten Kanister zu füllen. Nur mühsam können wir ihr klar machen, dass wir Zeit brauchen, um die Kamera einzustellen und dass es notwendig ist, die Sonne, die Schatten, den Ton und vieles mehr zu berücksichtigen. Am Anfang geht alles unter großem Gelächter vor sich. Nachdem wir sie aber so oft haben schöpfen lassen, dass sie die ersten Kanister wieder zurück in den Brunnen gießen muss, ist es mit dem Verständnis und dem Spaß vorbei. Wir geben uns zufrieden, filmen das Beladen der Esel und den Ritt nach Hause.
Für den hohen Besuch, den wir anscheinend darstellen, wurde eine Hühnchen-Tarjine vorbereitet. Sicher auch von Khadayja. Inzwischen ist es 16 Uhr und eigentlich zu spät fürs Mittagessen – zumal wir um 19 Uhr ein Menue in Sidi Ifni bestellt haben. Aber die Gastfreundschaft lässt es nicht zu, das Essen abzulehnen. Wir essen mit Ehemann, Schwiegervater und unserem Guide. Leider sagt dieser uns erst im Nachhinein, daß es sich bei den beidem um aufgeschlossene Männer handelt und dass Khadayja mit uns gegessen hätte, wenn wir als Gäste darauf bestanden hätten – tja, das ist so eine Sache mit den Landessitten. So hatte die gute Frau nur jede Menge Mehrarbeit wegen uns und uns bleibt nur ein ausgiebiges Winken beim Verabschieden. Es tut uns so leid, dass wir uns am nächsten Tag, als wir ihrem Mann auf dem Markt begegnen, uns mit zwei Melhafs für Khadayja bedanken – jenen bunten Stoffen, in die sich die Frauen der Sahara hüllen.
© b.g.